Stellungnahme zum Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung
(Stand 12.06.2012) Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) hat folgende Anmerkungen bzw. Anregungen zum Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung
Eine erneute Novellierung mit Korrektur der am 01. November 2011 in Kraft getretenen Neufassung der Trinkwasserverordnung ist aus der Sicht des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes dort sinnvoll, wo die neue Trinkwasserverordnung zusätzliche personalintensive und bürgerbelastende, bürokratische Hürden eingebaut hat, die in keinem Verhältnis zum Nutzen für den Gesundheits- und Verbraucherschutz stehen.
Die höheren Anforderungen der neuen Trinkwasserverordnung sind mit einem personellen Mehraufwand für die Gesundheitsämter verbunden.
Eine Aufstockung des Personals der Gesundheitsämter – nicht nur vorübergehend sondern auf Dauer – ist notwendig. Insbesondere müssen allen Gesundheitsämtern in ausreichendem Maße Fachpersonal für Hygiene und Technik – Gesundheitsingenieure und Hygieneinspektoren (Gesundheitsaufseher ) – zu Verfügung stehen, um die geforderten und erforderlichen Kontrollen der Trinkwasserversorgungsanlagen und Trinkwasser-Hausinstallationen wirkungsvoll am Gesundheits- und Verbraucherschutz orientiert durchzuführen.
Der BVÖGD ist zu folgendem gemittelten personellen Mehraufwand für die Gesundheitsämter gekommen:
Der gemittelte dauerhafte jährliche personelle Mehraufwand wurde mit einer Stunde und 10 Minuten je angezeigter Großanlage berechnet. In diese Berechnung geht die Büro-Registrierung und Überwachung mit 10 Minuten und der bei ca 25% der Anlagen durch Überschreitung des Technischen Maßnahmenwertes zu
erwartende Zeitaufwand für Ermittlungen, Besichtigungen, Anordnungen und Kontrollen mit 4 Stunden ein – das heißt der Personalaufwand der Gesundheitsämter durch Beanstandungen beträgt gemittelt 1 Stunde pro Großanlage und Jahr.
Zu den Regelungen im einzelnen haben wir folgende Anmerkungen:
a) § 3
Im Entwurf des BMG vom 12.06.2012 wird die Klarstellung zu „Großanlagen zur Trinkwassererwärmung“ durch anfügen der Nummer 12 in § 3 begrüßt.
Wasserversorgungsanlagen nach § 3 Abs. 1 Nummer 2 Buchstabe b der neuen Trinkwasser-Verordnung entsprechen in den wenigsten Fällen dem dafür gewählten Verordnungsbegriff „dezentrale kleine Wasserwerke“. Auch alle Kleinanlagen aus denen Wasser an Dritte abgegeben wird ( § 3 Nummer 2 Buchstabe b der alten TrinkwV 2001 ), fallen unter diesen Begriff der kleineren Wasserwerke und unterliegen somit einer regelmäßigen und umfangreichen Untersuchungspflicht nach Anlage 4 der neuen Trinkwasserverordnung
Durch den Entwurf des BMG vom 12.06.2012 erfolgt für die Wasserversorgungsanlagen nach Buchstabe „b“ eine Klarstellung der Abgrenzung zu großen Wasserversorgern des Buchstaben „a“ einerseits und kleinen Eigenversorgern des Buchstaben „c“ andererseits. Mit dieser Klarstellung ist aber auch eine Verschärfung für Kleingewerbetreibende verbunden, der schon mit einem Mitarbeiter die Pflichten eines dezentralen kleinen Wasserwerkes aufgebürdet bekommt.
b) §§ 4, 7, 9
Nicht nachvollziehbar sind aus unserer Sicht die beabsichtigten Änderungen der §§ 4, 7 und 9. Das betrifft die Abstufung des technischen Maßnahmenwert für Legionella spec. gegenüber den anderen Indikatorparameter. Er soll nicht mehr zu den Anforderungen des § 4 Abs.3 und des § 7 Abs.1 Satz 1 gehören. Hier kann genauso wie bei den anderen Parametern das Gesundheitsamt nach Prüfung des Einzelfalles Duldungen für einen gewissen Zeitraum festlegen.
Das gleiche gilt für die beabsichtigte Änderung des § 9 Abs.8. Die nicht mehr zwingend vom Gesundheitsamt durchzuführende Ortsbesichtigung bei Überschreitung des
technischen Maßnahmenwertes für Legionella spec. ist zwar Personal-Ressourcen sparend, aber für die Ursachensuche nicht wirklich zielführend.
c) § 10
Die vorgesehenen Änderungen zu § 10 Abs. 5 und 6 und den damit verbundenen Meldungen an das BMG über die Zulassung von Untersuchungsparametern- Überschreitungen auch bei kleinen Wasserversorgungsanlagen sind aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar. Es sollen Wege für die kleinen Wasserversorger gefunden werden die Ausnahmeregelungen abschließend auf Länderebene zu klären und zu registrieren.
d) § 13
Die im BMG-Entwurf vom 12.06.2012 vorgesehene Aufhebung der Anzeigepflicht von bestehenden, noch nicht vom Gesundheitsamt erfassten Großanlagen, durch Streichung des § 13 Abs.5 stellt keine wirkliche personelle Erleichterung für die Gesundheitsämter dar, da eine Untersuchungspflicht auch für die noch nicht beim Gesundheitsamt erfassten Großanlagen besteht und bei Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes sowohl die Registrierung als auch die Regelung und Kontrolle der Beanstandung beim Gesundheitsamt personell zu Buche schlägt.
Durch die beabsichtigte Streichung des § 13 Abs.5 ergibt sich aus unserer Sicht die dringende Einführung einer direktenLabormeldepflicht an die Gesundheitsämter.
e) § 14
Bisher konnte das Gesundheitsamt bei Kleinanlagen mit weniger als drei Kubikmeter Trinkwasser pro Tag Umfang und Häufigkeit der Trinkwasseruntersuchungen nach § 19 Abs. 6 der alten TrinkwV 2001 selbst festlegen.
Hier erscheint eine erneute Flexibilisierung angezeigt, und zwar durch eine Herausnahme der Wasserversorgungsanlagen nach § 3 Nummer 2 Buchstabe b aus der starren Untersuchungspflicht nach Anlage 4 und Festsetzung eines dem Einzelfall in Untersuchungsumfang und Häufigkeit angepassten Untersuchungsschema durch das zuständige Gesundheitsamt.
Wir schlagen daher vor, im § 14 Abs.2 vierter Satz nach „§ 3 Nummer 2 Buchstabe“
„b und „ einzufügen.
f) § 16
Der Entwurf des BMG vom 12.06.2012 will die Ortsbegehungen in die Betreiberpflichten verlagern, indem nach § 16 Abs.7 die Inhaber von Wasserversorgungsanlagen nach § 3 Nummer 2 Buchstabe d und e verpflichtet sind, bei Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes nach Anlage 3 Teil II eine unverzügliche Aufklärung der Ursachen mit Ortsbesichtigung, Prüfung der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik und Beauftragung einer Gefährdungsanalyse, durchzuführen beziehungsweise durchführen zu lassen.
Die sich daraus ergebenden erforderlichen Maßnahmen hat der Inhaber der Wasserversorgungsanlage nach § 16 Abs.7 Satz 1 Nummer 3 des BMG-Entwurfes vom 12.Juni auf Grundlage der Empfehlungen des Umweltbundesamtes und der allgemein anerkannten Regeln der Technik durchzuführen. Eine unmittelbare Kontrolle der Maßnahmen durch das Gesundheitsamt ist im BMG-Entwurf des § 16 Abs.7 leider nicht vorgesehen.
g) § 19
Der bürokratische Aufwand der neuen Trinkwasserverordnung nach §19 Abs. 3 (Beauftragung einer Untersuchungsstelle für die amtliche Untersuchung ) steht in keinem Verhältnis zum Nutzen für das Schutzziel Trinkwassergüte.
Wir sehen einen Widerspruch, in dem öffentlichen und privaten Wasserversorgern im Rahmen der Gesundheitsamts-Prüfungen ein separates Untersuchungsinstitut in § 19 Abs.3 vorgeschrieben wird, gleichzeitig jedoch im § 23 für die Eisenbahnen des Bundes eine Befreiung von dieser Verpflichtung erteilt wird.
Auch Landesämter für Gesundheit und Verbraucherschutz sprechen sich mit eingehender Begründung für eine Rückkehr zu der in den letzten 10 Jahren eingeführten und bewährten Regelung des § 19 Abs.2 der alten TrinkwV2001 mit den nach Länderrecht geregelten „Bestellten Stellen“ aus.
Die Überwachung von Kleinanlagen zur Eigenversorgung ( § 3 Nummer 2 Buchstabe c der neuen Trinkwasserverordnung ) durch das zuständige Gesundheitsamt nach § 19 muss den örtlichen Erfordernissen und den personellen Kapazitäten des Gesundheitsamtes angepasst werden. Gesundheitsämter die mehrere Tausend Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nummer 2 Buchstabe c zu überwachen haben, können nicht alle Anlagen in drei Jahren prüfen.
Wir regen daher an in § 19 Abs.5 Satz 3 zu streichen
„Der Zeitraum zwischen den Überwachungen darf drei Jahre nicht überschreiten“.
Zusammenfassend möchten wir noch folgende Ergänzungen anfügen:
h ) Anzeige- und Befundübermittlung
Die Anzeige- und Befundübermittlungspflichten wie sie zurzeit in der neuen Trinkwasserverordnung festgeschrieben wurden, dienen zwar für eine umfassende Gesundheitsberichterstattung und Problemdarstellung, stellen aber eine unverhältnismäßig hohe zeitliche Belastung des Verwaltungs- und Fachpersonals der Gesundheitsämter dar.
Es soll deshalb auch geprüft werden, inwieweit die Weiterentwicklung elektronischer Befundübermittlung und Befundverarbeitung hier Abhilfe schaffen kann.
i) Labormeldepflicht
Auch wird die Einführung einer Labormeldepflicht bei der Überschreitung von Grenz- und Maßnahmenwerten als notwendig angesehen und wäre geeignet, die unverzügliche Erfassung von zu beanstandenden Befunden durch die Gesundheitsämter zu erleichtern. In der Praxis des Infektionsschutzgesetzes haben sich Labormeldepflichten grundsätzlich sehr bewährt.
j) Hausinstallationen
Durch die beabsichtigten Änderungen der §§ 4, 7, 9 und 16 wird die Arbeit der Gesundheitsämter hinsichtlich der Durchsetzbarkeit von Sanierungsmaßnahmen in der Hausinstallation sehr erschwert, da nach dem BMG-Entwurf vom 12.06.2012 keine unmittelbare Meldepflicht der Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes mehr bestehen soll, und so die für den Betreiber auch als Hilfe zu verstehende Expertise und Maßnahmenanordnung nach § 9 Abs.5 Trinkwasserverordnung durch das zuständige Gesundheitsamt erst beim behördlichen Bekanntwerden der Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes zum Tragen kommt. Kenntnis kann das Gesundheitsamt von der Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes erhalten, wenn der Inhaber der Wasserversorgungsanlage gemäß § 16 Abs.7 Satz 4 des BMG-Entwurfes vom 12.Juni den Verbraucher über das Ergebnis der Gefährdungsanalyse und sich daraus ergebenden möglichen Einschränkungen der Verwendung des Trinkwassers informiert und der Trinkwasser-Kunde sich an das Gesundheitsamt wendet. Ansonsten nur zufällig, bei stichprobenartigen Kontrollen im Rahmen des Überwachungsprogrammes durch das Gesundheitsamt nach § 19 Abs.7 Trinkwasserverordnung, durch Akten- und Befundanforderungen nach § 16 Abs.7 Satz 3 des BMG-Entwurfes vom 12.Juni oder durch Fremd- / Eigen-Anzeige ( Hilfeersuchen an das Gesundheitsamt ) bei Schwierigkeiten oder Verzögerungen bei der Erfüllung der Inhaberpflichten nach § 16 Abs.7.
Wir halten es daher für erforderlich, das Gesundheitsamt in der Trinkwasserverordnung so zu verankern, dass es frühzeitig bei der Festlegung von Sanierungsmaßnahmen in der Hausinstallation mit eingebunden wird. So kann auch ein doppelter mit Mehrkosten für den Verbraucher verbundener Aufwand vermieden werden.