Gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten
Berlin, 14. August 2023
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Gemeinsame Stellungnahme des BVÖGD e.V. und der DGÖG e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG)
BVÖGD und DGÖG begrüßen die Zielsetzung des GDNG, zukünftig eine bessere Nutzung von qualitativ hochwertigen, strukturierten und verknüpfbaren Gesundheitsdaten zu ermöglichen, um dadurch auf-grund evidenzbasierter wissenschaftlicher Erkenntnisse eine qualitätsgesicherte Versorgung sowie Ge-sundheit und Wohlergehen im Sinne der weltweiten Nachhaltigkeitsziele zu verbessern (SDG 3). Ge-rade auch das präventive Arbeitsfeld des öffentlichen Gesundheitsdiensts ist besonders davon betrof-fen, dass Gesundheitsdaten nicht in ausreichendem Maß für eine Weiternutzung außerhalb des unmit-telbaren Versorgungskontexts vorliegen. Dies gilt insbesondere für Informationen zur Morbidität, die als Ausgangsbasis für präventive Strategien von besonderer Bedeutung sind und bisher nur für wenige Erkrankungen oder spezifische Altersgruppen bereitstehen. Das aktuelle Sachverständigenratsgutach-ten zur Resilienz unseres Gesundheitswesens vom 19.1.2023 hat diese Problematik entsprechend pri-orisiert:
„Gesundheitsförderung und Prävention sollten konsequent am Bedarf ausgerichtet werden. Bei der Im-plementierung von Maßnahmen bietet sich eine Orientierung am Public Health Action Cycle an. … Aus-gangspunkt ist eine Problemanalyse, auf deren Grundlage eine Strategie der Maßnahmenimplemen-tierung entwickelt wird. Nachdem eine Maßnahme umgesetzt wurde, wird sie evaluiert, bevor die Prob-lemlage erneut eingeschätzt wird. Was theoretisch simpel erscheint, erfordert praktisch Informationen, über die die Gesundheitsämter meist nicht verfügen“ (SVR Gesundheit 19.1.2023: Resilienz im Gesund-heitswesen. Bonn, S. 177)
Es ist daher sehr begrüßenswert, dass im neuen GDNG gesetzliche Aufgaben im Bereich der öffentli-chen Gesundheit explizit als ein wesentlicher Nutzungszweck spezifiziert sind und der bisherige Ak-teursbezug durch die Nutzungszwecke ersetzt wurde. Dies kann ein wesentlicher Schritt zu einer stär-ker bedarfsorientierten und damit zielgenaueren Prävention und Gesundheitsförderung sein.
Der ÖGD ist zwar auch auf Ebene von Bund und Ländern, jedoch vorrangig kommunal organisiert. Re-präsentiert wird dies durch die bundesweit flächendeckend präsenten knapp 400 kommunalen Ge-sundheits- und Bezirksämter. In allen Landesgesetzen ist die kommunale Gesundheitsberichterstattung als ÖGD-Aufgabe verankert und speist als datenbasierte Beschreibung der gesundheitlichen Lage kommunale Planungsprozesse oder auch Gremien wie z.B. eine Vielzahl kommunaler Gesundheitskonfe-renzen. Die über das GDNG verfügbar gemachten Informationen können somit über den kommunalen ÖGD ganz erheblich zu einer lebensweltnahen kommunalen Gesundheitspolitik in den Feldern Präven-tion, Gesundheitsförderung und Gesundheitsversorgung beitragen. Um dies gewährleisten zu können, sollte die o.g. kommunale ÖGD-Ebene jedoch stärker als bisher im GDNG berücksichtigt werden.
BVÖGD und DGÖG empfehlen daher dringend folgende Anpassungen im Gesetzentwurf zum GDNG:
• Im Gesetzentwurf wird bisher standardmäßig von ‚Forschungszwecken‘ gesprochen. Gerade im Sinne des o.g. SDG 3 ‚Gesundheit und Wohlergehen‘ sind aber die praktischen Nutzungszwecke für eine am Bedarf vor Ort orientierte lebensweltnahe Prävention, Gesundheitsförderung und Gesundheitsversorgung von herausgehobener Bedeutung. Empfohlen wird daher, die ÖGD-Nutzungszwecke im Gesetzestext auch sprachlich als mindestens gleichrangig zu behandeln und jeweils mit zu benennen. Bei der Umsetzung intersektoraler passgenauer Strategien auf der Grundlage von kleinräumiger Gesundheitsdatenanalyse handelt es sich aufgrund o.g. Viel-zahl kommunaler ÖGD-Einheiten sowie der Relevanz Öffentlicher Gesundheit nicht um eine ‚Nebennnutzung‘, wie dies bisher sprachlich leider etwas suggeriert wird.
• In o.g. Sinne gilt es auch, den ‚Arbeitskreis der Nutzungsberechtigten‘ an die angepassten Nut-zungszwecke sowie die Strukturen und Relevanz des ÖGD anzupassen. Der kommunale ÖGD ist bisher nicht in o.g. AK vertreten. Es wird dringend empfohlen, den kommunalen ÖGD mit mindestens einem, aufgrund seiner Bedeutung jedoch besser mehreren, Repräsentant:innen in den ‚Arbeitskreis der Nutzungsberechtigten‘ zu berufen. Nur dies kann gewährleisten, dass dort die notwendigen Fragen zu Relevanz, Aussagekraft, Qualität und Datenschutz in Bezug zur räumlichen Auswertbarkeit der Versorgungsdaten i.S. einer kommunalen Indikatorik angemes-sen diskutiert werden können.
• Der kommunale ÖGD ist in knapp 400 Einheiten organisiert, hat jedoch meist ähnliche Infor-mationsbedarfe i.S. einer begrenzten Zahl kommunaler Gesundheitsindikatoren. Diese sollten daher nicht separaten Antragsverfahren unterliegen, sondern im Sinne von definierten räum-lichen Standardauswertungen routinemäßig und fortgeschrieben zur Verfügung gestellt wer-den können (u.a. um eine Überlastung des BfArM zu vermeiden). Die Ansiedlung dieses Daten-zugangs an einer übergeordneten Institution wie z.B. dem RKI oder einem aufzubauenden Bun-desinstitut für Öffentliche Gesundheit wird empfohlen.
• Der ÖGD ist in Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden organisiert, was gleichzeitig auch auf seine Planungsräume zutrifft. Ein Zugang zu aggregierten und anonymisierten Gesundheitsda-ten für die Gesundheitsberichterstattung und Planung sollte daher auch in politisch-administ-rativen Raumkategorien wie etwa dem amtlichen Regionalschlüssel (ARS) möglich sein.
• Perspektivisch wird empfohlen, weitere relevante Gesundheitsdaten wie z.B. zur Mortalität in die Datenzugangsstrukturen und die Regelungen des GDNG zu integrieren.
Dr. Johannes Nießen, Dr. Susanne Pruskil BVÖGD DGÖG