Behandlungseinleitung bei übertragbaren Krankheiten
A. Hintergrund
Der BVÖGD hat den o.g. Dringlichkeitsantrag, der das Ziel eines Auskunftsanspruches für betroffene Dritte (Normalbürger, aber insbesondere auch Funktionsträger, z.B. Polizeibeamtinnen und –beamte) in der Folge von Kontakt zu (potentiell) infektiösen Körperflüssigkeiten verfolgt, mit Überraschung und Bestürzung zur Kenntnis genommen. In der Begründung zu dem Dringlichkeitsantrag kommen fehlende fachliche Kenntnisse und eine falsche Auslegung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) als Bundesgesetz zum Ausdruck. Daher wird im Folgenden neben einer kurzen Darstellung der im Infektionsschutzgesetz bereits vorhandenen Auskunftsmöglichkeiten auch eine kompakte Bewertung der faktischen Übertragungsmöglichkeiten sowie der daraus resultierenden Managementoptionen vorgenommen.
B. Spezielle Anmerkungen
Die im dritten Abschnitt des Infektionsschutzgesetz enthaltenen Bestimmungen zum „Meldewesen“ (§§ 6 bis 14) basieren zum einen auf einer Trennung der Meldepflichten für übertragbare Krankheiten (§ 6 „Arztmeldepflicht“) und Krankheitserregern (§ 7 „Labormeldepflicht“) sowie auf damit einhergehenden differenzierten Meldemodalitäten (§ 9 „Namentliche Meldung“ und § 10 „Nichtnamentliche Meldung“). Während eine namentliche Meldepflicht grundsätzlich auf die Möglichkeit des Ergreifens von Schutzmaßnahmen zur Gefahrenabwehr für weitere, potentiell betroffene Personen abzielt, dient eine nichtnamentliche Meldepflicht vornehmlich dazu, epidemiologische Daten zur Beurteilung der Veränderungen der Ausbreitung bestimmter übertragbarer Krankheiten zu liefern. Der Gesetzgeber hat insofern eine klare Zuordnung vorgenommen, welches Ziel mit der Meldung der konkreten Krankheit oder Infektion verfolgt wird. 2/4 Unbeachtlich, welches Ziel mit der Meldung verfolgt wird und wieweit dadurch die ärztliche Schweigepflicht eingeschränkt oder sogar aufgehoben ist, darf dadurch nicht der Eindruck entstehen, dass die Regelungen keine individuelle Abwägung zwischen den geschützten Interessen einer Person und möglichen, lebensbedrohlichen Gefährdungen Dritter erlauben. Vielmehr gilt, dass der Gesetzgeber nicht alle untypisch verlaufenden Fallkonstellationen in den Regelungsbereich des Gesetzes miteinbeziehen kann. Deshalb muss eine Durchbrechung der Schweigepflicht hingenommen werden, wenn eine entsprechende Gefährdung Dritter angenommen werden muss. In Bezug auf die HIV-Infektion spricht man dabei von „Offenbarungsrechtfertigung“. Diese gilt aber auch für andere Krankheiten mit schwerwiegenden Gefahren für Leib und Leben Dritter, und zwar auch dann, wenn z. B. bei ausschließlich sexuell übertragbaren Krankheiten Dritte in der Regel die Möglichkeit haben, sich selbst zu schützen. Die Durchbrechung der Schweigepflicht entspricht somit einer durch Güterabwägung gerechtfertigten Erlaubnis, wenngleich sich hierdurch auch keine Verpflichtung ableiten lässt (vgl. hierzu die Kommentierung des Infektionsschutzgesetzes von Bales/Baumann/Schnitzler, 2. Auflage, 2003). […]
(16.02.2015)